Fabian Moos SJ – Apokalypse und Advent

Jedes Jahr wiederholt sich das gleiche Spektakel der Weltpolitik. Jedes Jahr wird auch das Kirchenjahr neu durchlebt. Auf die COP folgt der Flop, auf die apokalyptischen Mahnreden Jesu die entschleunigte Adventszeit.

Wie viele NGOs sind auch dieses Jahr wieder angereist? Demonstrationen, gewaltfreie Aktionen, Podcasts und Fernsehsendungen haben sich dem neuesten Akt des Endlosdramas gewidmet, diesmal live aus Glasgow. Je nach den Medien, denen man gefolgt ist, konnte man dem Treiben mehr oder weniger interessiert, besorgt oder wütend aus der Ferne zusehen. Der apokalyptische Ton „von unten“ war wieder präsent, unterstützt auch von mir, und er wurde von den Staatenlenkern dankbar aufgegriffen: Es geht um alles, es ist kurz vor zwölf, jetzt muss aber wirklich was passieren. Allerdings war es nur zu offensichtlich: Die Inszenierung mächtiger Betroffenheit sollte die Beteuerung ohnmächtigen Ausgeliefertseins an die Gesetze des Marktes und die Reduktion auf „realistische“ Maßnahmen verdaulich machen. Man fragt sich, von welcher Realität da eigentlich die Rede war. Ein paar Unterschriften hier, ein paar Versprechungen da, gut, dass wir drüber geredet haben, wo geht’s zum Fototermin? Auch hier nichts Neues.

Und danach? Windstille. Wir sind wieder auf uns selbst zurückgeworfen. Wir gehen raus aus dem Kino, draußen regnet es, und irgendwie ist wieder alles so fad wie vorher.

Etwa im gleichen Moment münden die apokalyptischen Mahnreden des Kirchenjahrs in die Adventszeit. In einer Art fließendem Übergang. Die Endzeit ist in den Lesungstexten noch eine Weile präsent, doch nach und nach wird es stiller, der Ton wandelt sich, es wird Sehnsucht spürbar.

Vielleicht ist das so eine Art universelles Gesetz. Prophetisches Reden, Wachrütteln im Angesicht des Abgrunds ist wichtig – aber es ist nicht alles. Denn die politische Vereinnahmung durch die Mächtigen ist vorprogrammiert. Es braucht auch etwas anderes. Etwas Subtileres und viel Radikaleres.

Gott will uns damit noch einmal überraschen. Aber er weiß, dass wir den Bogen nicht von jetzt auf gleich hinkriegen. Sein Weg war und ist der unerhörte Weg des Kleinseins – des radikalen Kleinseins. Und des Wartens, der Geduld. Des Wachsens in Stille, des Zuhörens, des Reifenlassens. Es ist nicht das Kleinsein, das uns die Mächtigen zuschreiben wollen – die kleinen „grünen“ Konsum-Gesten, die man uns zugesteht, während der Wahnsinn um uns herum gesteigert weitergeht. Auch nicht der Rückzug in die Kerzenscheinromantik im „kleinen Kreis“, geschützt vor der bösen Welt da draußen. Nein, ich rede vom Kleinsein Gottes, das sich dem Dreck und den Ängsten der Welt schutzlos ausliefert. Advent ist nicht weniger als die Vorbereitung auf eine unglaubliche Revolution und Transformation: Gott will Mensch werden! Vielleicht, um uns – geduldig, freundlich, beharrlich – zu einer „Revolution der Zärtlichkeit“ einzuladen, von der Papst Franziskus spricht. Zu einer Transformation unseres angestauten Frusts in explosive Kreativität. Zu einem innerlich erneuerten prophetischen Auftreten. Doch noch ist es nicht so weit. Noch warten wir.

Es gibt eine Zeit für schonungslose Konfrontation. Und eine Zeit für den Advent. Manchmal sage ich mir innerlich mitten in einer heißen Diskussion über Klimawandel oder politische Affentheater: „Es reicht, ich habe genug Apokalypse an die Wand gemalt. Lass gut sein.“ Das Gespräch kann in die andere Phase übergehen: das Zuhören, Warten und Suchen. Von der großen Weltgeschichte zum kleinen Aufbruch, der hier und jetzt geschieht. Und dann, hin und wieder, geschieht es, es „kommt etwas zu“ (ad-venit). Sind wir bereit, es wahrzunehmen?

Buchhinweis: Fabian Moos, 2021, Der Zukunft eine Zukunft geben. Eine Spiritualität der sozialökologischen Umkehr, Ignatianische Impulse Bd. 91, Würzburg: Echter.