Dr. Jörn-Michael Schröder – Die Geburt der neuen Möglichkeiten

„Mein Herz preist den Herrn,
alles in mir jubelt vor Freude über Gott, 
meinen Retter! 
Jetzt werden die Menschen mich glücklich preisen 
in allen kommenden Generationen“

Es ist Maria, die wir hier jubeln hören. Maria im Advent. Von einem Engel hat sie erfahren, dass sie den Sohn Gottes gebären wird. Und sie weiß, dass dieser Sohn die Welt auf den Kopf stellen wird: „Er wird die Stolzen wegfegen, die Mächtigen vom Thron stürzen und die Unterdrückten aufrichten. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort.“ Maria weiß: Die Geburt ihres Sohnes ist ein Ereignis, das alles verändert.

Für den französischen Philosophen Alain Badiou ist ein „Ereignis“ nicht etwas, was einfach nur passiert. Ein „Ereignis“ ist für ihn etwas, das Dinge als möglich erscheinen lässt, die uns vorher unmöglich schienen. Und so sehen wir als Folge des Jesus-Ereignisses, dass sich Sklaven und Herren, Arme und Reiche versammelten, um gemeinsam das Brot zu teilen und sich gegenseitig die biblischen Schriften auszulegen. Wer hätte solches für möglich gehalten!? Die Fürsten und Politiker (und auch die Priester) hatten damals schon Unrecht. Unsere Art zu leben ist nicht alternativlos. Das Leben kann sich verändern; manchmal geschieht dies durch ein einziges Ereignis.

Das, was mit dem Schulstreik der schwedischen Schülerin Greta Thunberg begann, ist ein solches Ereignis geworden, das gezeigt hat, dass viel mehr als möglich gedacht werden kann und muss, als wir es uns bis dahin zugetraut hatten. Und immer mehr Menschen, immer mehr Politiker*innen und Wirtschaftslenker*innen erkennen und spüren, dass sich unsere Vorstellung von dem, was möglich und nötig ist, seitdem immer mehr verändert. Wir brauchen den Verstand und wir brauchen dieses neue Herz, das offen ist für neue Möglichkeiten und sich nach diesem gerechten, auch klimagerechten Leben sehnt, das Gott für uns gewollt hat.

Noch leben wir im Advent. Wir beginnen gerade erst zu lernen, was alles möglich ist und sein muss, wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen. Maria aber zeigt, dass uns die „gute Hoffnung“ und der Weg zu einem glaubwürdigen und gerechten Leben schon jetzt zu glücklichen Menschen machen kann.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit.

Dr. Jörn-Michael Schröder

(Superintendent im Ev.-luth. Kirchenkreis Syke-Hoya)